Feuerzangenbohlero Neun nicht ganz gewöhnliche Liebesgeschichten
16.06.2017, 19.00 Uhr. Im Eingangsbereich vor der Aula des Ritzefeld-Gymnasiums weisen Warnschilder (siehe Bild links) auf mögliche Gefahren hin. Die Aula ist trotzdem bis zum letzten Platz gefüllt. Alle warten gespannt, welch eine Komödie sie mit dem „Feuerzangenbohlero“ (Autoren: Horst Frings und Sebastian Blöcher) an diesem Abend auf der Bühne zu sehen und hören bekommen.
Das Bühnenlicht gibt den Blick frei auf die Hauptdarsteller des Abends, die sich zum 20. Jahrestag ihres Abiturs standesgemäß um eine Feuerzangenbowle versammelt haben und nur ein Thema haben – zwischenmenschliche Liebesbeziehungen. Die zweimal geschiedene Emanze Dr. Irene B. (J. Aatach), die Friseuse und von ihrem Freund gerade zuvor verlassene Tina (A. Haas), die biedere und unerfahrene Grundschullehrerin Monika (C. Özgenc), in der unter zunehmendem Alkoholeinfluss das Verlangen nach „wildem, hemmungslosen Sex“ erwacht – und als einziger Mann in der Runde Macho Norbert (P. Reinert) ringen in teils hitzigen Diskussionen um Antworten auf die Frage „Was ist Liebe?“.
Unter dem Einfluss der Bowle offenbaren sich intime Ansichten und Gedanken der Teilnehmer zu Liebe, Sex und Intrigen, die mit Erinnerungen an klassische und äußerst dramatische Liebesszenen aus Weltliteratur, Film und Musical untermauert und vom jeweiligen Gegenüber mit sprachlichen Nadelspitzen auseinandergenommen werden.
Und so entwickelt sich auf der einen Seite der Bühne eine sprachlich anspruchsvolle Unterhaltung, die auf der anderen Bühnenseite und im Publikum mit rasant inszenierten oder leidenschaftlich gespielten Liebesszenen ausgemalt wird – beginnend mit Szenen aus dem High School Musical (mit E. Hoss und S. Püttgen) und dem letzten Akt aus Goethes Faust (mit A. Ossig, S. Jaziri und N. Witt), in dem Gretchen – an Fausts Liebe zweifelnd – seine rettende Hand zur Flucht aus dem Kerker ausschlägt.
Und jetzt wird´s gleich doppelt anspruchsvoll: während der von seiner Nase gezeichnete Cyrano de Bergerac (A. Ossig) dem Schönling Christian (S. Heidenthal) die wohlklingenden Worte vorgibt, um einen Kuss bzw. das Herz der von beiden begehrten Roxane (J. Johns) zu gewinnen, wird – gleichzeitig! – die Balkonszene aus Shakespeares Romeo (S. Scherello) und Julia (N. Soyhan) inszeniert, in der sich beide ihre Liebe zueinander gestehen.
In weiteren Liebesszenen stehen sich Mr. John & Mrs. Jane Smith (P. Peters und A. Koch) gegenüber, ein nicht ganz normales Ehepaar, denn beide sind Auftragskiller, deren Identität dem jeweils Anderen aber nicht bekannt ist und dies zu lebensgefährlichen Komplikationen in der Ehe führt.
Auch Shakespeare kommt noch einmal zu Wort, diesmal mit einer Szene aus dem letzten Akt, in dem sich Laertes (S. Scherello) und Hamlet (S. Püttgen) im Thronsaal vor den Augen von Claudius (A. Kaufmann) und Gertrud (R. Thiermann) duellieren. Es ist viel Gift und Tod im Spiel: im Falle von Laertes Niederlage hält Claudius vergifteten Wein für Hamlet bereit, doch der Plan gerät ausser Kontrolle, als Gertrude davon trinkt. Beim Duell trifft Laertes Hamlet mit der vergifteten Schwertspitze, im Kampf vertauschen sie jedoch die Waffen, worauf auch Laertes mit dem tödlichen Gift in Berührung kommt. Gertrude ringt mit dem Tod, worauf Laertes die hinterlistigen Pläne des Königs preisgibt und Hamlet wutentbrannt den König zwingt, ebenfalls den Gifttrank zu sich zu nehmen.
Dass Liebe nicht nur Leben nehmen, sondern auch retten kann, beweist der Film Titanic, zu dem S. Jaziri und S. Heidenthal die berühmte Szene am Bug des Ozeanriesen gekonnt nachspielen.
Schließlich liefert auch die mittlerweile völlig der alkoholischen Wirkung verfallene Monika ihren Beitrag zur Diskussion, indem Sie die drei Hexen aus Macbeth (E. Hoss, A. Mann, L. Scheitinger) herbeiruft, um einen Liebestrank zu brauen. Der Szene folgt noch ein Blick auf die verschiedenen Sichtweisen auf Liebe, die die Götterriege der griechischen Mythologie mit Hera, Aphrodite (N. Witt, P. Beckers), Athene und Eros (E. Hoss, L. Scheitinger) vertritt.
Die Kreativität und hohe Motivation der jungen Schauspieler zeigte sich nicht nur darin, gleich in mehreren Szenen unterschiedliche Rollen erstaunlich authentisch zu spielen, sondern auch in sehr aufwändigen Bühnenbildern, die in den verschiedenen Szenen zum Einsatz kamen. Auch die Bühnen- und Lichttechnik war vom Feinsten. Die ausgesuchte Komödie war gewiss nicht einfach umzusetzen und verlangte allen in der Vorbereitung und bei den beiden Aufführungen ein gehöriges Maß an Engagement und maximalen Einsatz ab, der sich gelohnt hat – die herzerfrischende Komödie, die facettenreiche Reise durch die dramatischsten Liebesszenen der Weltliteratur und des Films sowie die Begeisterung der Schüler für das Theater bescherten uns einen genüsslichen und erinnerungsreichen Abend.
Dankeschön auch an Frau Hager und Frau Deutschmann, die die Truppe zu dieser Höchstleistung geführt haben – und noch einmal einen lang anhaltenden Applaus für alle Mitwirkenden! (Dr. O.)