Weimar 2012 Vom regnerischen Stolberg in die verschneite Geschichtsstadt - ein Reisebericht von A. Dagge (Stufe 13)
Eine 6 – stündige Fahrt steht uns bevor. Während die einen um 5 Uhr morgens hellwach zu sein scheinen oder durch ihre verstärkte Hibbeligkeit versuchen ihrer Müdigkeit entgegenzuwirken, versuchen andere vergeblich eine bequeme Schlafposition zu finden, um wenigstens noch ein wenig Schlaf nachzuholen… Denn eines war uns allen von Anfang an klar: viel Schlaf wird am kommenden Wochenende wohl kaum einer bekommen.
Eine Truppe von ca. 90 eingesessenen Stolbergern machte sich also an dem Wochenende vom 27.1. – 29.1.12 auf den Weg in den Osten der Bundesrepublik, um sich ein eigenes Bild von einer der wohl meist geprägten Geschichtsstädte Deutschlands zu machen. Unter ihnen nicht nur wissbegierige Schüler, sondern selbstverständlich auch unsere Deutsch- und Geschichtslehrer. Begleitet wurden wir also von einem Lehrerkomitee aus Frau Stierl-Samans (Deutsch & Französisch), Herrn Sieprath (Deutsch, Literatur & Geschichte), Herrn Graaf (Geschichte & Religion), Frau Storz (Biologie & Physik), Frau Wilneder (Spanisch & Geschichte) und selbstverständlich von Herrn Jaworski (Deutsch & Geschichte), durch den diese ganze Exkursion alljährlich zustande kommt.
Unser Ziel: eine Stadt, deren Geschichte bis ins Jahr 899 zurück verfolgt werden kann – eine Stadt, bekannt für politische Entscheidungen und kulturelle Begeisterung – eine Stadt, geliebt von den größten Dichtern Deutschlands, wie z.B. Goethe oder Schiller – Weimar. Die ca. 85 km² große Stadt stellt eine Hochburg der Faszination und der Bildung dar, die jedem Schüler zuteil werden sollte.
Nach 6 Stunden Fahrt kamen wir im verschneiten Weimar an und teilten uns auf zwei nahe liegende Jugendherbergen auf, da wir eindeutig die Kapazität einer Jugendherberge überschritten. Viel Zeit zum Auspacken und „Erholen“ blieb uns allerdings nicht. Die eine Gruppe, die in der Jugendherberge „Maxim Gorki“ untergebracht war, begab sich auf eine fast zweistündige Führung, geleitet von unserem Reiseleiter Herr Jaworski persönlich. Die andere Gruppe der Jugendherberge „Poseckscher Garten“ besuchte das bekannte Goethehaus. Durch die Stadtführung bekamen wir den ersten Eindruck davon, wie sehr diese Stadt durch den Dichter Johann Wolfgang Goethe geprägt worden ist. Er verbrachte einen Großteil seines Lebens dort und zu seinem Freundeskreis zählte z.B. der zehn Jahre jüngere Herzog Karl August. Uns wurden die Orte zuteil, die das Leben Goethes prägten und die zeigten, wie der bekannte Dichter lebte und liebte. Das Goethehaus, das von der 2. Gruppe am letzten Tag besichtigt werden konnte, zeigt die gesellschaftliche Normen, die Trennung zwischen dem Wohnbereich Christianes und dem Wohnbereich Goethes und weist auf das vielseitige Interesse des Dichters hin, vor allem bezüglich der Biologie und der Politik. Die Abendplanung wurde dann uns überlassen, sodass man sich traf und gemeinsam auf das Wochenende anstieß oder sich ein Bild vom Weimarer Partyleben machte (es zumindest versuchte).
Wer feiern kann, kann auch arbeiten – so heißt es ja bekanntlich. Demnach gab es beim morgendlichen Weckkommando auch kein Erbarmen. Um 8.00 Uhr morgens stand der Bus vor der Tür, der uns zum Schloss Ettersburg fuhr. Ausgestattet mit Wanderschuhen, dicker Jacke und Schal, begann man von dort aus eine Wanderung. Unser Ziel? Das ehemalige Arbeitslager Buchenwald. Der positive und blühende Charakter Weimars ist an diesem Ort verblasst und schien in der Ferne zu liegen. Durch einen Dokumentationsfilm wurden uns erste Eindrücke übermittelt, die uns die Situation der Inhaftierten darlegte, doch erst durch den Rundgang und die Erzählungen, durch die Anwesenheit an Orten, an denen Menschen wie Tiere gehalten wurden, an denen Menschen keinen Wert mehr hatten, wurde uns das Ausmaß der Taten deutlich. Es war schockierend. Es kommt selten vor, dass eine Gruppe von 90 Schülern, die größtenteils zwischen 17 und 19 Jahren alt sind, komplett still ist, weil es kaum einer wagt an einem derartigen Ort wahllos mit Worten um sich zu werfen. So schockierend der Anblick war, so notwendig war er auch. Denn diese Orte des Grauens sind zu Recht erhalten worden, damit die Ereignisse nicht vergessen werden, damit das Leid der Menschen nicht vergessen wird. Umso befreiender war es aber auch, als wir wieder unsere Beine in die Hand nehmen durften und den Ort, mit den Gedanken daran im Hinterkopf, verließen. Als wir daraufhin wieder zur Jugendherberge fuhren, wurde schon eifrig über die Abendplanung beraten. Auf die Einladung Herrn Jaworskis hin, trafen wir uns alle in einem Restaurant und feierten den letzten Abend unserer Exkursion. Manch einer wurde sogar künstlerisch aktiv, wie z.B. Maria und Raphael, die unserem Exkursionsleiter ein Ständchen als Dank vortrugen. Ein sehr amüsanter Anblick, wenn man dabei auf die Reaktion seines Lehrers achtet, der sich zwar gefreut hat, aber dem man doch anmerkte, dass ihm eine derartige Aufmerksamkeit etwas unangenehm war. Als der Abend sich dem Ende neigte und man selbstverständlich vorhatte sein Bett aufzusuchen, wurden die meisten von uns, wie auch immer es dazu kam, von Musik angelockt und fanden sich kurze Zeit später, zu ihrer vollkommenen Überraschung, in einer Discothek wieder. Und weil man natürlich niemanden enttäuschen und sich nicht gegen das Schicksal stellen wollte, machten wir das beste aus der Situation und versuchten den eingesessenen Weimarern die Mentalität Stolbergs im Tanze zu erläutern.
Je später der Abend wurde desto früher kam der Morgen und damit auch die Abreise. Am Sonntag trafen sich, wie schon am Anfang erwähnt, diesmal die eine Gruppe im Goethehaus, während nun die andere Gruppe von Herrn Jaworski die Stadtgeschichte näher gebracht wurde. Zu guter Letzt, bevor unsere Freude auf den warmen Bus jedoch gestillt wurde, machten wir noch einen Spaziergang über den Friedhof, auf dem wir die Fürstengruft und die Russische Kirche, über die wir spontan eine sehr (sehr, sehr) ausführliche Berichterstattung erhielten, zu sehen bekamen.
So schön das Wochenende doch war, so froh waren wir jedoch auch, als wir durch die Busheizung endlich von den Eisklumpen an unseren Füßen befreit wurden und unserer Heimat entgegen fuhren. Gleichzeitig wurde manchen erst dann klar, dass das nun unsere Abschlussfahrt gewesen war. Weimar ist ein Ort, der, im Vergleich zu seiner Größe, unglaublich vielseitig ist. Er macht einem die Geschichte und der uns all bekannten Literatur besser verständlich und lässt sie uns auch nicht so schnell wieder vergessen. Hierbei sollte man sich aber auch bei den Lehrern bedanken, die eine Chaotengruppe, wie die unsere, zu zügeln wusste, zumindest meistens, und die uns die ein oder anderen Wortgefechte und Geschichtsausschweifungen nicht übel genommen haben. Es hat sich gelohnt und ich persönlich habe von niemandem gehört, dass es ihm/ihr nicht gefallen hätte.