Körperwelten & Der Zyklus des Lebens Zwischen faszinierendem Voyeurismus und pietätloser Erlebnisanatomie
Am 15. Januar besuchten die Klassen 9b und 9c sowie interessierte Schüler aus dem Chemie-Treff und der Biologie-AG zusammen mit Dr. Nelles und Dr. O. die Ausstellung Körperwelten & Der Zyklus des Lebens in Bochum. Die Exkursion begann um 8.00 Uhr zu Schulbeginn auf dem Parkplatz des Bethlehem-Krankenhauses. Nach etwa anderthalb Stunden Busfahrt stiegen wir aus dem Bus und wurden nach ca. zehn Minuten Anstehen in die Ausstellung gelassen. Nach einigen Hinweisen des Personals konnten wir uns frei in den Ausstellungsräumen bewegen. In Anknüpfung an den jeweiligen Unterricht sollten wir uns die Ausstellungsstücke vor allen Dingen unter den Aspekten der Plastination und der Mechanik im Aufbau des menschlichen Körpers betrachten. Ausgestellt wurden Ganzkörperpräparate, aber auch einzelne plastinierte Organe und Bestandteiledes menschlichen Körpers von Spendern sowie einige tierische Ausstellungsstücke. Die einzelnen Schülergruppen hielten sich dort zwischen einer bis über zwei Stunden auf. Danach durften wir das Ausstellungsgelände in Gruppen von mindestens drei Schülern verlassen und Bochum besichtigen. Außerdem bestand die Möglichkeit, gemeinsam mit den Lehrern das Bergbaumuseum zu besuchen, wo eine einstündige Führung durch das in wenigen Meteren Tiefe liegende Besucherbergwerk stattfand. Anschließend versammelten sich die Gruppen wieder vor dem Bergbaumuseum bzw. am Bahnhof, um gegen 15.45 Uhr die Heimfahrt anzutreten. Trotz einiger Verzögerungen auf der Rückfahrt kamen wir noch vor 18.00 Uhr wieder auf dem Busparkplatz des Bethlehem-Krankenhauses an. Ein Bericht von A. Weyers
Da das Fotografieren in der Körperwelten-Ausstellung verboten war, an dieser Stelle nur einige Bilder vom Besuch des Bergbaumuseums:
Zurück zu den Körperwelten:
Seit Jahren polarisieren die Körperwelten-Ausstellungen wie kaum eine andere. Die Ausstellung „Körperwelten & der Zyklus des Lebens“ stellt den Kreislauf des (menschlichen) Lebens vom Entstehen und Vergehen dar. Die Präparate menschlicher Körper zeigen an verschiedenen Stationen die Entwicklung der menschlichen Anatomie im Laufe des Lebens von der Zeugung bis ins hohe Alter. Erste Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Konzepts tauchen auf, wenn die Ausstellung ziemlich abrupt um einige tierische Attraktionen wie z.B. einen mit 2,50 m Körpergröße recht imposanten Braunbären oder ein Rentier ergänzt wird.
Die Plastinate stammen aus freiwilligen Körperspenden, für die erstaunlicherweise bislang mehr als 13.000 Menschen registriert wurden, davon etwa 12 000 aus Deutschland. Zu den Beweggründen der Spender zählen u.a. der Dienst an der Wissenschaft, die Begeisterung für die Plastinationstechnik, eine Alternative gegenüber herkömmlicher Bestattungsarten, das Fehlen von Angehörigen. Die Technik, die 1977 von Gunther von Hagens, von Beruf Mediziner und Wissenschaftler, entwickelt wurde, ist eine Methode der Konservierung, die den Verfall toter Körper stoppt und anatomische Dauer-Präparate als wissenschaftliche Anschauungsobjekte ermöglicht – aber auch für eine Schau herhalten kann, die „Einblicke bietet, die unter die Haut gehen“ und so manchen auch „schaudern lässt“. Da ist von „Störung der Totenruhe, Verletzung der Menschenwürde, Bedienung niederer Schaulust“ die Rede. Die einen sehen die Ausstellung aus einer eher nüchternen Perspektive mit dem wissenschaftlichem Anspruch, mehr über den eigenen Körper zu erfahren, während die anderen die „Selbstentdeckungsreise unter die Haut“ deutlich emotionaler als pietätlos bezeichnen und einige darüber hinaus die Form der Darstellung von Leichen als „Schaustücke“ nicht mit ihrem Glauben in Einklang bringen können. Dies können auch die vom Veranstalter eingeforderte Ehrfurcht und der Respekt den ausgestellten Toten gegenüber nicht dämpfen. Zweifelsohne verspüren viele jedoch eine gewisse Faszination und Anziehungskraft – andere nennen es wiederum Sensationsgier – denn sonst hätten die mittlerweile zahlreichen Ausstellungen nicht so einen großen Zuspruch.
Dieser Meinungs-Zwiespalt spiegelt sich auch in der Schullandschaft wider – vom Verbot des Besuchs der Ausstellung bis hin zur Integration der „Körperwelten“ als außerschulischen Lernort in den naturwissenschaftlichen Fachunterricht. Vor diesem Hintergrund scheint es ratsam, sich zunächst ein eigenes Bild zum Thema zu machen. Tatsächlich zeigen die Präparate das menschliche Dasein nicht nur aus einer fachlich-nüchternen Perspektive, sondern auch „kunstvoll drapiert“ in alltäglichen Lebenssituationen.
Der Gang durch die Ausstellung führt einen unweigerlich zu der Frage: Würde man seinen eigenen Körper nach dem Tod der Plastination zur Verfügung stellen, und wenn ja, in welcher Form? Hierbei gibt es ja noch eine deutliche Bandbreite in der Darstellung von der eher wissenschaftlichen Darstellung innerer Organe oder Gefäßsysteme bis hin zur Ganzkörperplastination, zu differenzieren, die alltägliche Lebenssituationen aufgreift wie z.B. das Schachspiel oder das Pokern, aber auch diverse Sportarten, bis hin zu sehr intimen Situationen wie den Liebesakt.
Sowohl der künstlerische Aspekt als auch die Ausstellung selbst sind jedoch auch ein Abbild unserer heutigen Gesellschaft, geprägt von Angebot und Nachfrage. Und – dazu bemerkt: es gibt zahlreiche interessante medizinhistorische Museen, in denen der wissenschaftliche Aspekt des Anschauungsmaterials ohne Effekthascherei dargeboten wird. Leider sieht man dort weit weniger häufig lange Menschenschlangen vor den Kassen.
Das Spektrum unterschiedlicher Meinungen spiegelte auch die Befragung unserer Schüler wider, die in der Zusammenschau ebenfalls zu keinem eindeutigen Meinungsbild führte. Hier einige ausgesuchte Zitate:
- „Man bekam einen erstaunlich genauen Einblick in den menschlichen Organismus.“
- „Die Anatomie des Menschen ist erstaunlich komplex.“
- „Mir war nicht bewusst, dass es sich um tote Menschen handelt.“
- „Viele Ausstellungsstücke sahen unecht und künstlich aus. Man hatte nicht das Gefühl, Tote zu begaffen – es war nicht so eklig wie erwartet.“
- „Die Körper erinnerten nicht an Leichen, sondern waren eher wie Kunstobjekte.“
- „Wissenschaft muss moralisch verwerflich sein, um spannend zu sein.“
- „Sich auszustellen ist erniedrigend!“
- „Man soll nach dem Tod seinen Frieden haben und nicht so verunstaltet ausgestellt werden“
- „Das war Sensationshascherei, unwürdig, moralisch verwerflich, und hat nichts mit Medizin und Wissenschaft zu tun.“
Insgesamt bietet die Ausstellung zumindest eines: jede Menge Gesprächsstoff, der wohl auch noch einige Zeit nachhalten wird.
Ein Kommentar von Dr. O.
Da in der Ausstellung Fotografieren verboten war, mögen folgende Links auch Zugang zu einigen Bildimpressionen bieten.