Zwischen Humanität und Barbarei Weimarfahrt der Stufe Q2 im November 2013 (G. Toeghiono) veröffentlicht 12.01.2014
Freitag, den 8. November 2013
Die Fahrt
Die Weimarfahrt hat begonnen; nahezu planmäßig haben sich alle beteiligten Schüler am vereinbarten Abfahrtpunkt eingefunden – ein Getümmel im noch dunklen und nassen Stolberg um sechs Uhr in der Frühe. Nachdem die Koffer verladen waren, stellte sich vorerst ein kleines Problem ein: Für die 55 exkursierenden Schüler und Lehrer bereitete die Sitzplatzbelegung im 56-Platz-Bus derartige Schwierigkeiten, sodass nicht jeder in gewünschter Konstellation einen Sitzplatz gefunden hat.
Immer noch vor Tagesanbruch begann schließlich die Reise gen Osten. Ein wenig müde (wegen der Frühe) versuchte die Mehrzahl der Schüler und Lehrer noch ein wenig Schlaf zu finden. Alsbald die Sonne ihre Strahlen über den Horizont schickte, zeigte sich die von Nebelschwaden umwobene, malerische Landschaft unserer Reisestrecke.
(Für eine Fahrt mit einem Teil der Stufe Q2 verlief die Anreise außergewöhnlich ruhig; weder lauter Gesang noch laute Musik störten die Insassen des Busses während der Fahrt.)
Nach circa drei Stunden Fahrzeit musste eine Pause am malerischen Örtchen Katzenfurt eingelegt werden. (Bei dieser Gelegenheit sind nachfolgende Bilder entstanden.)
Dessen ungeachtet wurde die Weimarfahrt nach etwa einer Dreiviertelstunde fortgesetzt. Keine weiteren Einschübe sollten unserer Anreise im Wege stehen.
Weimar – die Stadt der Dichter und Denker
Schließlich gelangten wir um 13:00 Uhr an unser Ziel, die Jugendherberge „Maxim Gorki“ in Weimar, der Stadt der Dichter und Denker. Das Gepäck ausgeladen und die Zimmer eingerichtet, begannen wir unser geplantes Programm in Weimar mit einer Stadtführung, geführt von Herrn Jaworski, der uns bereits bei unserer Ankunft in Weimar empfangen hat. Die in etwa zweieinhalbstündige Stadtführung vermittelte neben dem angenehmen Ambiente Weimars eine Menge wissenswerte Informationen über die Geschichte Weimars in der deutschen Geschichte.
Das Römische Haus im Ilmpark verkörpert beispielsweise mehrere Baustile, die bewusst vom Architekten des Hauses – Goethe – gewählt wurden. So finden sich unter anderem anmutende, ionische sowie auch raue, dorische Säulen in unterschiedlichen Bereichen des Gebäudes.
Der Park selbst ist ebenfalls bewusst angelegt; Sichtachsen verbinden weitläufige Schneisen miteinander und ermöglichen so den Blick auf Bauwerke, beispielsweise Goethes Gartenhaus.
Der Park im Ilmtal ist sehr weitläufig und bietet in vielerlei Hinsicht die Möglichkeit, die „Seele schweifen zu lassen“.
Weimar ist nicht allein wegen des Ursprungs der ersten Deutschen Demokratie in die deutsche Geschichte eingegangen. Auch ihr Untergang im Angesicht des Nationalsozialismus mit weitreichenden Folgen sind der Welt in Erinnerung geblieben. Die Nationalsozialisten wählten diesen symbolträchtigen Ort, die Stadt der Humanität, aus, um ihre Ideologie der Barbarei, humanistisch verschleiert, in die Welt zu tragen. Weimar wurde daher in mehrerlei Hinsicht baulich propagandistisch wie auch (aus Sicht der Nationalsozialisten) funktionell erweitert – Parteistadt und Konzentrationslager.
Im Anschluss an die Führung blieb noch Zeit, in Kleingruppen Weimar zu ergründen, bis sich alle Beteiligten um 18:00 Uhr zum gemeinsamen Abendmahl erneut in der Jugendherberge einfinden sollten. Der Abend nach dem Abendmahl stand abermals zur freien Verfügung.
Weimarfahrt – Trinkfahrt?
Da bis auf weiteres die Abendgestaltung der meisten Fahrtteilnehmer von Alkohol geprägt wird, führt mich diese Tatsache erneut zur allgegenwärtigen Diskussion: Alkohol. Weiterhin äußerte sich mir die Problematik an diesem Abend in einem subjektiv noch nicht bekannten Ausmaß, obgleich mir bereits vorher von diesem Sachverhalt bewusst war.
Das eigentliche Ziel dieser Fahrt sollte die Weiterbildung und Einschätzung der Geschichte zum Zweck haben; aus einigen Quellen konnte ich jedoch in Erfahrung bringen, dass diese Wochenendexkursion von einer Vielzahl der Teilnehmer als reine „Trinkfahrt“ angesehen und dementsprechend geplant wurde. Dieser Sachverhalt zwingt mich, die allgegenwärtige Diskussion erneut anzustoßen – analog auch zum Sachverhalt: zwischen Humanismus und Barbarei.
Dass mäßiger Alkoholkonsum dem Körper eines Menschen durchaus zugutekommt, sei dahingestellt. Gemäßigter Konsum im rechtlichen Rahmen sei ohnehin möglich. Dass jedoch minderjährige Schüler durch volljährige Mitschüler an hochprozentige Alkoholika gelangen und diese von sich selbst getrieben oder im Druck des Gruppenzwangs konsumieren, womöglich ohne Zustimmung ihrer Erziehungsberechtigten, zudem auf einer Schulfahrt, überschreitet Grenzen in unverantwortlichem Ausmaß.
Sich selbst keiner Schuld bewusst, übersehen viele der Volljährigen gerne einmal absehbare Konsequenzen, die sich an dieser Stelle keiner erneuten Aufreihung bedürfen. Der Grund für diesen getriebenen Konsum ist vielleicht so offensichtlich wie auch erschreckend: „Wenn du nicht trinkst, bist du nicht „cool“!“ Dieser Satz steht in keinerlei Verbindung zu verantwortlichem Verhalten innerhalb einer Gruppe; ebenso treibt die Konkurrenz „wer verträgt mehr“ Konsumenten zum Glas. Diese Tatsachen sind vielmehr Appell für diejenigen, die noch den Verstand bewahren, den Treibenden entgegenzuwirken. Auch, dass überhaupt privat erworbener Alkohol auf einer Schulfahrt, an der sich – ich betone – Minderjährige beteiligen, geduldet wird, ist erschreckend.
Dennoch bleibt zu erwähnen, dass die Weimarfahrt eine private Studienfahrt ist, die unter geringeren Auflagen stattfindet als eine reguläre Stufenfahrt, weswegen derartige Freiräume gestattet bleiben. Keineswegs ist dieses Problemthema zu vernachlässigen, denn es scheint allgegenwärtig; auch der Appell an Verstand und Verantwortung, darf nicht überhört bleiben. Unsere Gesellschaft bedarf einer Lösung dieses Problems; es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Problematik in nächster Zeit noch einmal angenommen wird.
Dessen ungeachtet halte ich, wie bereits im Vorherigen angemerkt, ein generelles Alkoholverbot auf einer Studienfahrt nicht zwangsläufig sinnvoll – lediglich das Ausmaß und der Hintergrund des Konsums sollte überschaubar und geregelt gehalten bleiben.
Samstag, den 9. November 2013
Der nächste Morgen
An diesem Morgen zeigten sich dann die Auswirkungen des gestrigen Alkoholkonsums meiner Mitstreiter: Viele meiner Kommilitonen hatten sich „ordentlich die Kante gegeben“, spürten dementsprechend die Nachwirkungen des vorherigen Abends. Immer noch um vier Uhr grölend, erwachten sie nun nach nur kurzem Schlaf völlig „verkatert“. Dennoch „schleppten“ sich die betroffenen Schüler in den Frühstückssaal.
Gestärkt durch eine kleine Mahlzeit konnte nun endlich das Tagesprogramm beginnen: Dieser Samstag sollte mit einer Filmvorstellung eigener Produktion beginnen, gefolgt von einer Wanderung zum Konzentrationslager Buchenwald mit anschließender Führung. Der in Schülerkreisen sogenannte „Weimarfilm“, eine Eigenproduktion Herrn Jaworskis mit Unterstützung von Schülern und Lehrern, enthält zahlreiche Informationen, über die Stadt Weimar in Ergänzung zur Stadtführung am vorherigen Tag. Zusätzlich bildete der Film eine gelungene Überleitung zum Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald.
Die Zeitschneise – von Humanismus zur Barbarei
Die Anreise zum Konzentrationslager erfolgte per Bus. Das Konzentrationslager wurde jedoch nicht direkt angesteuert – vielmehr sollten wir dem Weg der „Zeitschneise“ folgen, einer Kunstaufarbeitung der fürstlichen Jagdgebiete des Ettersberger Schlosses, beginnend beim Schloss Ettersberg, der Uraufführungsstätte von Goethes „Iphigenie auf Tauris“, endend beim Konzentrationslager Buchenwald.
In kurzen Unterbrechungen der Wanderung wurden Texte von Mitschülern vorgetragen, die eine Pervertierung des Judenhasses im Verlauf der Zeit, wie die Zeitschneise nebenbei angemerkt selbst, verdeutlichen sollten.
In großen Mengen vorhandener Morast erschwerte den Anstieg ungemein; ungeeignetes Schuhwerk wurde von diesen widrigen Bedingungen wohl überrascht, weshalb sich die Zeitplanung des Lagerbesuches nach hinten verlagerte. Schließlich gelangte unsere Gruppe nach dem unwegsamen Fußmarsch zum eigentlichen Konzentrationslager, nachdem schon früh ein Teil des Schülerkollektivs einen anderen Weg eingeschlagen hatte, und dieser auf sich allein gestellt den Pfad beschreiten musste.
Dessen ungeachtet musste sich der von den Lehrern begleitete Teil der Schülergruppe beeilen, um noch rechtzeitig zu einer Filmvorführung über das Konzentrationslager zu erscheinen. Im Film berichteten Zeitzeugen, ehemalige Insassen des Konzentrationslagers, von ihren traumatischen Erinnerungen ihrer Inhaftierung. Darunter waren Berichte über den Aufbau des Lagers, Erinnerungen an die inhumanen Zustände, Ängste und Erfahrungen der Häftlinge.
Das Konzentrationslager Buchenwald
An dieser Stelle möchte ich die Bilder dieser grausamen Stätte für sich sprechen lassen.
Der restliche Tag
Von bedrückender Stimmung begleitet traten wir im Folgenden die Rückfahrt an. Wir hatten einerseits eine Menge über die tragischen Schicksale erfahren, mussten die verstörenden Tatsachen allerdings noch verarbeiten.
Von diesem Tag an stellte sich jeder die Frage, ob, egal in welchem Zusammenhang, die Phrase „Jedem das Seine“ noch passe (Siehe Bild: Gruppe vor Eingang KLB).
Da noch Zeit, in etwa zwei Stunden bis zum abendlichen Gericht blieb, konnte individuell entschieden werden, ob in Kleingruppen die Stadt erneut durchkämmt oder in der Jugendherberge verweilt werden sollte. Nach dem Abendessen eröffnete sich weiterführend die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Rest der Schüler- und Lehrerschaft das Lokal „Felsenkeller“ aufzusuchen und dort den Abend gemeinsam zu verbringen. Dieses Angebot wurde (dankbar) von nahezu allen Fahrtteilnehmern wahrgenommen. Ich habe diesen Abend in etwa so in Erinnerung:
Mir blieb also an diesem Abend, den ich bis dato nutzte, die vorliegende Wiedergabe des Geschehenen, oder ihr Gerüst auszuarbeiten, die Entscheidung mich der Schüler- und Lehrergruppe anzuschließen und den „Felsenkeller“ aufzusuchen oder in der Jugendherberge zu verweilen. Glücklicherweise entschied ich mich für die erste Möglichkeit, denn in meinen Augen ist dieser Abend „gesellig“ zu nennen, denn die „Geselligkeit“ unserer zwar wechselnden Tischgruppe bestand wohl am längsten an diesem Abend.
Auch Alkohol wurde ausgeschenkt: Hier ein Bier, dort ein Gläschen Wein – jedoch in gesitteten Maßen. Vielleicht war dieses Phänomen der Anwesenheit der Lehrer geschuldet, vielleicht aber auch dem gesellschaftlichen Rahmen, in dem wir verkehrten.
Ich selbst habe kein alkoholisches Getränk zu mir genommen, habe ich doch die Kaffeekarte genauer studiert und die Kaffeevariationen untersucht. Ein doppelter Espresso – gut, aber nicht sehr gut, wie sich im Verlaufe des Abends zeigen würde – ein Latte Macchiato – eher schlecht als recht – ein Kaffee – eine völlige Katastrophe – und zu guter Letzt noch ein doppelter Espresso.
Viele kleine Witze, Anekdoten und Geschichten erheiterten die Runde; gelacht, getrunken, je nach dem, was man bestellt hatte, und erzählt. Magische Momente und auch gute, heitere Zitate, die ich leider nicht mehr fähig bin zu Papier zu bringen.
Die Zeit verging – die meisten Besucher des Lokals einschließlich vieler „unserer“ Schüler haben das Lokal bereits verlassen – dass sie es uns möglich machte, „zusammenzurücken“. Lehrer und Schüler zwängten sich nun um die größeren kleinen Tische. Und wieder gefachsimpelt, geredet, zitiert…
Irgendwann ist der Abend dennoch vorüber – vorerst.
Nach dem Zahlen spaltete sich erneut die Fraktion: Die einen machten sich zurück auf gen Jugendherberge, die anderen auf Wunsch von Frau Wilneder zu einem kleinen Lokal mit Namen „Luise“ in Anlehnung an Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“, das bereits bis an die Wände überfüllt war. Dies sollte zunächst das geringere Problem sein – vor dem Lokal, außen, waren noch Plätze frei, die wir in Anspruch genommen hätten. Darauf hieß es, es gäbe keinen Espresso mehr – für zwei von uns ein Desaster. Kurz darauf: Wir betraten das immer noch überfüllte Lokal, und konnten noch einen für unsere Gruppe zu kleinen Tisch ergattern. Improvisation: Die Sitzbank wurde durch Stühle erweitert – es wurde zusammengerückt. Und dann doch: Es gab Espresso. Ich einen doppelten; das war ein Espresso wie er im Buche steht: crèmig, heiß und schön stark – kurzum perfekt, und er war nur zehn Cent teurer als im Felsenkeller.
Und wieder von vorne oder weiter von vorher, zitiert, geredet und gefachsimpelt – jetzt schon etwas müde bereits am Sonntag. Lustig heim in die Jugendherberge verschlug es uns zuletzt.
Sonntag, den 10. November 2013
Der letzte Tag in Weimar brach für die meisten Teilnehmer später an, als an den Tagen zuvor, möglicherweise Feiern geschuldet, die sich an das gesellige Beisammensitzen im Felsenkeller angeschlossen haben und zum Teil erst kurz vor dem Morgengrauen endeten. Somit blieb das von 7:00 Uhr bis 8:30 Uhr andauernde Frühstück anfänglich nur spärlich besucht. Da die Zimmer bereits um 9:00 Uhr geräumt sein sollten, mussten sich einige der „Schlafnasen“ gehörig beeilen, um rechtzeitig mit allem zu Erledigendem fertig zu sein. Um 8:45 Uhr konnten tatsächlich alle Zimmer geräumt und alle Koffer in den Reisebus verladen werden. Anschließend wurde eine geschichtlich-literarische „Unterrichtsstunde“ von Herrn Jaworski zum Thema: „Iphigenie auf Tauris – Nationalsozialismus – Humanität und Barbarei“ abgehalten.
Zum ersten Mal an diesem Wochenende, für das nebenbei permanenter Regen vorhergesagt wurde, begann es zu regnen. Im Regen fuhr unser Programm fort. An diesem Sonntag sollten noch Goethes Wohnhaus inklusive Goethemuseum und der Weimarer Friedhof besichtigt werden. Das Goethemuseum zeigte neben literarischen Werken Goethes auch Exponate seines wissenschaftlichen Ego.
Der letzte Programmpunkt auf unserer Studienfahrt war die Besichtigung des Weimarer alten Friedhofes, auf dem unter anderen auch Goethe samt seiner Familie beigesetzt sind. Geführt von Herrn Jaworski erfuhren wir hier noch einmal Hintergründe und Zusammenhänge zu der Person Goethe und seinem Umfeld.
Gegen 12:00 Uhr erreichten wir den Bus – Abfahrt in Richtung Stolberg, eingestellt auf eine siebenstündige Heimfahrt.