(K)Eine Wahlveranstaltung Junge Union und die Stolberger Gymnasien luden zur Podiumsdiskussion ins Goethe Gymnasium ein (von G. Toeghiono).
Stolberg, Goethe-Gymnasium. Am 2. April 2014 fand In der Aula des Goethe-Gymnasium der Stadt Stolberg eine Podiumsdiskussion mit den Kandidaten zur bevorstehenden Kommunalwahl am 25. Mai 2014 statt. Initiiert von der Jungen Union veranstalteten die hiesigen Gymnasien dieses Forum, um die breite Schicht der Erstwähler der Oberstufen im Jahr 2014 der beiden Schulen über die Inhalte und Probleme der Kommunalpolitik weitgehend zu informieren. Amtierender Bürgermeister Ferdinand Gatzweiler (SPD), Dr. Tim Grüttemeier (CDU), Bert Engelhardt (FDP), Herbert Hecht (B90/Grüne) und Matthias Prußeit (Linke) standen den aus beiden Gymnasien entsandten Moderatorenteams Frage und Antwort.
Der erste Block der Veranstaltung, moderiert vom „Ritze-Team“ (Tobias Behlau und Sebastian Doncks), eröffnete die Diskussionsrunde nach einer kurzen Selbstvorstellung der Kandidaten medias in res mit einer Statusabfrage der aktuellen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in der Region. Alle Parteien waren sich einig darüber, dass die hiesige Arbeitslosigkeit über der regionalen Quote liege. Bert Engelhardt bemängelte außerdem die Abwanderung von stolberger Firmen in andere Regionen und Länder mangels Expansionsmöglichkeiten in der Talsohle Stolbergs. Die Stadt habe abgelehnt, das Grundstück, wo Kaufland entstanden ist, der Firma Grünenthal zu überlassen, weswegen der Standort Stolberg abgebaut wird.
CDU Spitzenkandidat Dr. Tim Grüttemeier kritisierte in seinem Statement gleichzeitig, dass sich die Stadt, ergo der Bürgermeister, zu wenig um das Schaffen von neuen Ausbildungsplätzen bemühe. Der Bürgermeister müsse, so Grüttemeier, mehr auf die Unternehmen zukommen und auf sie eingehen und diese zu Ausbildungsbereitschaft zu motivieren, was bis dato nicht der Fall sei.
Bürgermeister Ferdinand Gatzweiler stellte klar, dass diese Anschuldigungen sachlich falsch waren. Für die Stadt Stolberg gab es nur diese eine Möglichkeit den Großversorger in die Stadt zu holen. Wäre das Grundstück nicht dem Unternehmen Kaufland zur Verfügung gestellt worden, wäre der Standort Stolberg für das Unternehmen undenkbar gewesen. Gleichsam bemerkte der Bürgermeister das Wahlkampfverhalten seines Kontrahenten Tim Grüttemeier, der ebenso falsche Informationen vermittelt hat. Die Stadt Stolberg, und damit auch der Bürgermeister, bemühe sich bereits in erheblichem Ausmaß, Ausbildungsplätze weiter zu fördern und auszubauen. So beteiligte sich die Stadt, entgegen der Darstellung von Grüttemeier, bereits in großem Umfang an der vor einigen Wochen stattgefundenen Nacht der Ausbildung. Darüber hinaus betonte Gatzweiler, dass ein Strukturwandel, der nicht nur in Stolberg, sondern deutschlandweit geschieht, erheblich zur wirtschaftlichen Situation beiträgt. Daraus folgert er: „Wirtschaftsförderung ist kein regionales Thema mehr; wir müssen überregional denken!“
Der Förderung der Wirtschaft, entgegnet Prußeit, müssen mehr Ressourcen zugewiesen werden. Derzeit sei das Wirtschaftsförderungsamt nur mit zwei Angestellten und einer Teilzeitkraft besetzt, die hauptberuflich jedoch in noch in andere zeitaufwendige Strukturen eingebunden seien.
Zur Frage, ob ein derzeitiges Wirtschaftswachstum zu erwarten sei oder eher ein Wirtschaftsrückgang, antworteten die Befragten mit Ausnahme des Bürgermeisters mit dem massiven Rückgang der Wirtschaft. Ferdinand Gatzweiler stellte hingegen eine optimistische Prognose angesichts der derzeitigen Steuer- und Umsatzkraft auf.
In wiefern mit dem Szenario, das sich Ende diesen Jahres wohl abzeichnen mag, umgegangen werden kann sollte in der Frage: „Was nach Victor?“ beantwortet werden. Herbert Hecht meinte, nachdem er einen schier endlosen Satz des Nichtwissens veräußert hatte, dass das regionale Kunsthandwerk gefördert werden solle. Wieweit dies mit der Fragestellung in Bezug steht sei dahingestellt. Brussheit hingegen bezog sich auf das Szenario und war der Meinung, man müsse vernünftige Investoren finden, um das Victorgebäude „neu besiedeln“ zu können. Dahingegen wandte Engelhardt ein, dass das Gebäude „Victor“ Privateigentum des „Herrn Victor“ sei, und man nicht einfach bestimmen könne, was damit gemacht wird. Weiterführend gaben SPD- und CDU-Kandidaten überraschenderweise einstimmig preis, dass man die Alt- und Innenstadt in Hinblick besonders auf die Gastronomie umgestalten könne. So wäre es möglich, den defekten Brunnen auf dem Kaiserplatz durch Raum für Lokale zu ersetzen und somit zu öffnen. Ferdinand Gatzweiler teilte darüber hinaus mit, er stehe mit RWTH-Professoren in Gesprächen die Stadt gerade für Studenten attraktiver gestalten zu können. Letztendlich muss die Belebung der Stadt „mit anderen Schwerpunkten“ durchgeführt werden.
Inklusion ist ein weiteres, brisantes Vorhaben, dass ungeachtet der Möglichkeiten bis zum 1. September durchgeführt werden soll laut Vorgabe der Landesregierung. Hierfür stünden allerdings lediglich 130 Mio. Euro zur Verfügung, die auf alle Schulen landesweit aufgesplittet werden müssten. Linken-Kandidat Prußeit äußerte, man solle spezielle, individuelle Leistungen in die Schulen integrieren. Grüttemeier hingegen hält eine Umsetzung, obgleich, wie er betont die Inklusion ein Menschenrecht ist, für problematisch. „Das Land hat uns keine Vorgaben gegeben, wie die Inklusion vollzogen werden soll, sondern nur, dass.“ Bert Engelhardt unterstrich diese Aussage besonders in Bezug auf den finanziellen Aspekt. Er schlug vor, man könne die Inklusion eventuell schrittweise vollziehen. Darüber hinaus würden sich Nachteile für andere Schüler ergeben, denn „in solchen Klassen können schon einmal Stühle fliegen.“
Bürgermeister Gatzweiler stimmte dem nicht in vollen Zügen zu. Die Inklusion, wie sich in dieser Diskussion zeigte, werde immer falsch angegangen. Man dürfe nicht zuerst auf die finanziellen Aspekte schauen; „Inklusion muss in den Köpfen der Menschen geschehen.“ Erst dann dürfe man die Inklusion vollziehen. Grüner Hecht unterstützte die Ansicht Gatzweilers und fügte noch hinzu, dass dort gefördert werden müsse, wo dies möglich sei.
Ein Einwand der Schülerschaft stellte nun die Frage, wie man versuche, die Problematik zu beheben. Hierbei veräußerten sich unterschiedliche Ansichten: Hecht hatte hierzu nichts beizutragen, Engelhardt meint, man müsse die Geschwindigkeit und den Druck herausnehmen und nicht alles Geplante umsetzen, dahingegen äußerte Hecht, alles das, was umgesetzt werden muss, müsse auch umgesetzt werden. Bürgermeister Gatzweiler betonte weiterhin, dass Inklusion nicht am Geld festgemacht werden sollte.
Vom „Goethe-Team“ (Charlotte Zeller und „Henning“) angeleitet wurde der zweite, kürzere Frageblock: „Da die Nazis dieses Jahr, sowie letztes Jahr nicht in Stolberg aufmarschiert sind, Sie aber seit Jahren zum Gleichen Zeitpunkt, wo die Nazi-Demos angesetzt sind, Gegendemonstrationen veranstalten, das restliche Jahr über jedoch nichts dergleichen geschieht, betreiben Sie doch eine Politik des Ignorierens, oder?“
Die provokante Frage Hennings verleitete die Kandidaten, ihre ehrliche Meinung zum Thema offenzulegen. Grüner Hecht sah die These nicht bestätigt, vielmehr beziehe die Stadt seit Jahren klar Stellung gegen Neonazis. Allerdings sehe er ein Problem darin, mehr Gegenwehr zu zeigen, denn er befürchte, dass sich dadurch die Neonazis weiter profilieren könnten. Bert Engelhardt sah das Datum der Gegendemonstration kritisch; die Nazis hätten dann immer noch Anlass, den von ihnen propagierten „Märtyrertod“ einer ihrer „Anhänger“ im Gedächtnis zu halten, wobei nochmals zu unterstreichen ist, dass die Tötung vor nunmehr zehn Jahren in keiner Verbindung zu nationalsozialistischen Milieus stand.
Tim Grüttemeier betonte das vorhandene starke Engagement gegen Nazis. Allerdings sah auch er die Wahl der Demonstrationstage kritisch an. Das Image der Stadt würde darunter leiden, immer wieder mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht zu werden. Verständnislos wandte unser Bürgermeister ein: „Wenn es um unsere Stadt geht und sich die Frage stellt: Image oder Nazis, ich kämpfe gegen Nazis in unserer Stadt!“ Matthias Prußeit ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte: „Nazis aus Stolberg raus!“
Wie mit dem schlechten Zustand der Schulen in Zukunft umgegangen werden soll, wurde nahezu einstimmig von allen Kandidaten damit beantwortet, dass ein Gesamtkonzept entstehen soll; bisher könne man nur die Missstände der Reihe nach abarbeiten.
Letztendlich war die Diskussionsrunde nicht zielführend. Die Fragerunde der Schüler blieb nahezu aus, die Kandidaten verloren sich entweder in ihrem Unwissen oder Inkompetenz oder Wahlkamfstreitigkeiten, die eigentlich nicht im Rahmen der Veranstaltung vorgesehen waren. Dennoch zeigte sich, dass nun einige mehr der Erstwähler wissen, wen sie bei der anstehenden Kommunalwahl wählen werden.