Ceud Mile Fà ilte! Blog über Freiwilligendienst in Schottland (von G. Freyberger, ehemaliger Schüler des Ritze) 2016/17
23.06.2017
Wie schnell die Zeit vergeht: Mehr als zehn Monate in Schottland sind schon rum. Camphill ist inzwischen mein zweites Zuhause geworden, ich habe gute Freunde gefunden und wir Co-Worker sind mit den drei pupils in unserem Haus und den Hauskoordinatoren zu einer kleinen Familie zusammengewachsen.
Es war wirklich genau die richtige Entscheidung, meinen Freiwilligendienst in Camphill, einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit „special needs“, in der Nähe von Aberdeen in Schottland zu machen. Meine täglichen Aufgaben sind inzwischen Alltag geworden, ich bin sehr vertraut mit den beiden Jungs, um die ich mich kümmern muss, und weiß, wie ich am besten auf Ihre Bedürfnisse eingehen kann. Dies erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und Herz, wodurch ich – vor allem für mich persönlich – einiges lernen konnte.
Das Leben in Camphill läuft so vor sich hin; ein geregelter, jeden Tag gleicher Alltag ist sehr wichtig für die Kinder und Jugendlichen. Meine beiden Jungs gehen ja vormittags und nachmittags zu Therapien und Workshops, bei denen ich sie begleite. Es gibt jeweils einen professionellen Master, der den Kurs leitet. Meine Aufgabe ist es, die pupils zu motivieren und sie bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Viel Zeit habe ich im Candle (Kerzen-) Workshop verbracht, bei dem wir Bienenwachskerzen zum Verkauf herstellen. Hier könnte es durchaus sein, dass ich selbst mehr Kerzen hergestellt habe, als die pupils, die nicht immer so bei der Sache sind. Außerdem gibt es einen Töpfer Workshop, bei dem ich mich sehr an die Bräuche im Töpfereimuseum Langerwehe in meiner Grundschulzeit erinnert fühle.
Camphill ist in sich abgeschlossen, man lebt vollkommen und ausschließlich in dieser Anlage. Gerne würde ich noch etwas detaillierter von den Kindern und Jugendlichen berichten, aber darauf muss ich verzichten, um die Privatsphäre der pupils zu schützen. Dafür werde ich noch etwas mehr von dem Leben drumherum erzählen.
Das Leben besteht natürlich nicht nur aus Workshops und Therapien, sondern wir machen auch viele Ausflüge. Einmal die Woche gehe ich mit einem meiner pupils schwimmen – in einem Freibad. Bei 10 Grad Außentemperatur und strömenden Regen mag das komisch klingen, aber das Wasser wird auf 29 Grad beheizt – dank dem reichlichen Nordseeöl. Außerdem habe ich inzwischen das Wandern für mich entdeckt (früher mit meinen Eltern habe das ich gehasst). Die Highlands sind durch unberührte Natur und unendliche Weiten geprägt, was wunderschöne Wanderungen über Berge, durch Täler, vorbei an Seen (zum Besispiel dem berühmten Loch Ness) ermöglicht. Ansonsten bin ich absoluter Bier-Fan geworden, trinke aber gerne auch mal einen anständigen schottischen Whiskey.
Meine „Off-Days“, also meine freien Tage, nutze ich gerne, um ein bisschen zu reisen. Ich war schon zwei Mal in London, einmal für eine Woche Sightseeing und einmal wegen eines Konzertes. Silvester habe ich mit ein paar anderen Freiwilligen in Edinburgh, der Hauptstadt von Schottland verbracht, um dort das neue Jahr zu feiern.
Anfang Juni haben meine Eltern und meine Schwester mich für zwei Wochen in Schottland besucht. Sie hatten ein Ferienhaus etwas südlich von Aberdeen an der Ostküste gemietet, in dem wir ein paar tolle Tage mit schönen Ausflügen verbracht haben. So hatte ich die Möglichkeit mir die großen Städte, wie Edinburgh, Glasgow oder Dundee etwas näher anzuschauen. Außerdem haben wir uns ausführlich durch die schottische Küche gegessen (in Camphill gibt es eher einfaches, „normales“ Essen). Eine Spezialität in Schottland ist Haggis: der Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt wird. Für Deutsche mag das widerlich klingen, aber es schmeckt eigentlich ganz gut.
Mein Freiwilligendienst endet am 2. August, doch ich werde noch ein paar Tage länger in Camphill bleiben, um die neuen Co-Worker einzuarbeiten. Ich werde mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen; ein bisschen freue ich mich doch auch wieder auf Deutschland. Ab Oktober möchte ich in Karlsruhe Mechatronik studieren. Gerade bin ich schon auf der Suche nach einem Wohnheim.
Viele Grüße. Euer Götz
05.04.2017
Hello (Englisch!),
ich bin jetzt schon seit fast sieben Monaten in Camphill und da wird es nach dieser recht langen Zeit mal wieder Zeit für einen etwas ausführlicheren Bericht über mein Leben und Arbeiten hier, da mein letzter Bericht doch recht knapp und oberflächlich war. Ich werde also mal etwas näher darauf eingehen, wie genau das ganze Konzept hier aufgebaut ist und wie wir arbeiten.
Aber zuvor eine kleine Geschichtsstunde in Sachen Camphill: Es begab sich zu der Zeit im Jahre 1939 als eine Gruppe Österreichischer Flüchtlinge nach Schottland emigrierte, nachdem sie vor Krieg und Verfolgung geflohen sind. Sie lebten außerhalb von Aberdeens City in einer kleinen Hütte ohne Strom und fließend Wasser, trugen aber den Traum in sich, mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen zu leben und zu arbeiten. In dieser Gruppe befand sich auch der Kinderarzt Karl König, der maßgeblich die Camphill-Bewegung mitbegründet hat. Die Gruppe der Österreicher hatten schon vorher geplant, eine solche Einrichtung in Wien zu errichten, ihre Pläne wurden durch den Einmarsch der Nationalsozialisten allerdings vereitelt.
Die Camphill-Schools sind also in sich geschlossene Gemeinschaften, in denen Menschen mit besonderen Bedürfnissen („special needs“, was der staatlich anerkannte Fachterminus in UK dafür ist) frei ihre Persönlichkeit entfalten können. Das Ganze basiert auf der Anthroposophischen Weltanschauung, die von Rudolf Steiner entwickelt wurde.
Ich habe mich nicht besonders mit den Anthroposophischen Prinzipien befasst (zum einen da ich mit manchen der von Steiner genannten Aspekte bezogen auf meine Weltanschauung nicht viel anfangen kann und ich seine Theorien als ziemlich an den Haaren herbeigezogen bewerte) und kann deswegen nicht sonderlich gut beurteilen, in welchem Maße und auf welche Weise genau das heute noch umgesetzt wird, allerdings werden Grundkonzepte wie zum Beispiel die Reinkarnation immer wieder aufgegriffen, und der Grundethos, dass der Mensch in sich selbst eine Art Seele hat, die immer wieder in einen neuen Körper gepflanzt wird, und damit jeder Mensch dasselbe Recht auf Leben hat, was ja einer der Gründe für das Erschaffen einer solchen Gemeinschaft wie der Camphills ist.
Wie ich schon sagte, ist Camphill eine Gemeinschaft, die eher für Outklusion aus der Gesellschaft, aber in der Outklusion komplett auf Inklusion ausgelegt ist. Das bedeutet, dass man in Camphill komplett und ausschließlich in Camphill lebt, aber Camphill selber schon eine Gesellschaft ist und diese Umgebung perfekt für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ist, zum Beispiel durch viel Grün, keine wirklich fremden Menschen, und jeder weiß wie man sich den Pupils gegenüber verhalten muss. Eine sehr gute Sache für alle Students, die wir hier haben.
Wir haben hier drei Estates, die ich kenne, und ein paar weitere, die ich allerdings nicht genau benennen kann und von denen ich nicht weiß, in welchem Maße sie in Camphill mit eingebunden sind. Es gibt das Camphill, Murtle und Cairlee Estate. Ich arbeite im Camphill Estate, dem zweitgrößten und ältesten Estate von der Camphill School Aberdeen, in der auch immer noch das erste Haus Camphills überhaupt steht. In unserem Estate gibt es vier Häuser, in denen Pupils wohnen, und eine Handvoll Häuser, in denen Familien leben wie zum Beispiel die des Hauskoordinators vom Camphill House oder die Familie vom Chef von Camphill. Außerdem gibt es Häuser oder einzelne Wohnungen für Co-Worker. In unserem Estate gibt es circa 14 Pupils, die Vollzeit, also die ganze Woche, da sind, und ungefähr nochmal so viele Daypupils, die an manchen Tagen der Woche zum Beispiel nur für die Schule kommen. Das Murtle Estate ist das größte Estate mit – ich glaube – 6 Häusern mit Pupils, sehr vielen Workshops und sogar einer Farm. Das Cairnlee Estate ist das kleinste Estate und besteht quasi nur aus einem einzigen Haus.
Aber zurück zu mir und meiner Arbeit. In meinem Haus sind die Arbeitszeiten einzigartig gegenüber allen anderen Häusern in Camphill, so arbeiten die Coworker in anderen Häusern bis zu 12 Stunden pro Tag (von 7 bis 21 Uhr) mit 2 Stunden Pause zwischendrin. Bei uns sind die Arbeitszeiten sehr viel entspannter, Donnerstags und Freitags arbeite ich 12 Stunden, Samstags 6, Sonntags 7 und Montags nur 3, dafür habe ich Montags den sogenannten „Foundation Year Course“, eine kleine wöchentliche Session ähnlich wie Schule, allerdings auf einem ähnlichen Level an Effizienz, und ich dementsprechend selten an dem Kurs teilnehme, je nachdem, was Thema der Session ist und wer sie hält.
Die Arbeit, die wir leisten, reicht von Putzen (in unserem Haus wird relativ viel geputzt), Kochen und genereller Essensvorbereitung (wir haben eine Köchen die an 5 Tagen in der Woche das Mittagessen zubereitet und eine Dame für die Wäsche) bis zu der direkten Arbeit mit den Pupils (was logischerweise auch einen Großteil meiner Arbeitszeit ausmacht). Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gehen in die Schule von Camphill, von der es eine in unserem Estate und eine im anderen Estate gibt, die jungen Erwachsenen über 18 Jahren gehen in die Workshops, die vom Kerzenworkshop über 2 Gärten und einem Keramikworkshop bis zu einer Schreinerei und einem Metallworkshop reichen, man hat also ein sehr große Palette an Workshops und kann für jeden Pupil gemessen an seinen Fähigkeiten etwas finden und das Beste aus ihnen herausholen. Ich begleite an einem Morgen der Woche einen unserer Pupils in den Kerzenworkshop und hinterher in den Keramikworkshop. Von allen Workshops ist mir der Kerzenworkshop immer am liebsten, zum einen weil der Leiter des Workshops ein guter Freund von mir ist und ich mich immer freue, ihn dann zu sehen, zum anderen weil mein Pupil immer sehr gut und motiviert arbeitet, weil auch er den Kerzenworkshop ganz cool findet und man ihn relativ einfach motiviert bekommt. So einfach das Ganze im einen Workshop ist, so schwieriger ist es im anderen, da er den Keramikworkshop überhaupt nicht leiden kann und sich eigentlich jeglicher Arbeit recht schnell verweigert. Man kann ja nicht alles haben.
Zu weiteren Aufgaben, die man mit den Pupils zusammen erfüllt, zählt auch Gartenarbeit, was meistens aus Rechen besteht, ehrlich gesagt nicht ganz so meines. Freitag morgens bin ich dann immer ohne einen Pupil den ganzen Morgen im Kerzenworkshop, was immer eines der Highlights meiner Arbeitswoche darstellt, da wir einen guten Teil der Zeit zusammen hochqualitative deutsche Musik performen, durchgehend exquisiten Espresso mit Milchschaum trinken (inzwischen bin ich ein Meister darin, eine Kaffemaschine zu benutzen) und nach eineinhalb Stunden Arbeit in die Schule gehen und am Snack teilnehmen, der aus frisch gebackenen Keksen besteht.
Samstags macht das gesamte Estate und auch ein paar aus dem anderen Estate einen Ausflug irgendwohin, die Ziele reichen von sehr schönen Bergen über Strände bis hin zu Wäldern. Auf diese Weise lernt man sehr viel von Schottlands Locations kennen und kommt etwas rum, eine meiner Meinung nach sehr schöne Sache, die auch alle unserer Pupils sehr mögen. Sonntagmorgen koche ich (seit ein paar Wochen) immer zusammen mit einer anderer Co-Workerin das Mittagessen, was auch immer sehr gut ankommt, und wenn man das Essen kocht, kann man ja auch dafür sorgen, dass es Essen gibt, was man auch selber sehr gerne hat (Fleisch!). Letzten Sonntag zum Beispiel habe ich bei unglaublich unschottischem Wetter ein Barbecue organisiert, das dank strahlender Sonne und fast 15 Grad Hitze für sommerliche Stimmung gesorgt hat.
Alles in Allem macht die Arbeit hier generell sehr viel Spaß, auch wenn die Aufgaben, die man wahrnimmt, jede Woche dieselben bleiben, man also jede Woche ein und dieselbe Routine hat, was auf Dauer natürlich auch etwas eintönig wird.
Mein Wochenende ist, da ich von Donnerstag bis Montag arbeite, Dienstag und Mittwoch, was immer etwas schade ist, da man nicht mit sehr vielen Leuten gleiche Off-Tage hat und deswegen die Zahl der Leute, mit denen man etwas machen kann, eingeschränkt ist. Allerdings haben drei meiner besten Freunde in Camphill den Dienstag zusammen mit mir Off und können ihren zweiten Off-Tag innerhalb der Woche noch umtauschen, wenn wir irgendeine längere Tour planen. So bin ich zum Beispiel vor 2 Wochen zusammen mit einer Freundin in die Highlands gefahren, wo wir dann in einer Bothie, einer Art Hütte, übernachtet haben und des Nachts auch ein wenig gefroren haben. Nicht an Kohlenmonoxidvergiftung gestorben, haben wir uns dann am nächsten Morgen über die Berge zurück zu unserem Startpunkt aufgemacht, was alles in allem ein toller Ausflug war.
Ansonsten freue ich mich schon auf die nächste Woche, da der Respite (Ferien) beginnt und ich dementsprechend eine Woche lang nur den halben Tag arbeite, und übernächste Woche habe ich dann eine Woche Urlaub, in dem ich mit 3 Mädchen aus meinem Haus in die Highlands fahre und wir mit einem Zelt einfach mal schauen, wo wir so ´rumkommen können. Hoffentlich spielt das Wetter dabei mit.
Ich bin auch endlich umgezogen. Die ersten paar Monate habe ich ja in mehr oder minder fröhlicher Nachbarschaft zu zwei unserer Pupils gewohnt, die auch nächtens mal etwas lauter wurden und ich dementsprechend ab und zu sehr müde war. Nun wohne ich ein Stockwerk höher und habe ein recht großes Zimmer mit zwei Fenstern und einer Dachschräge (ich mag Dachschrägen). Außerdem haben wir eine neue Coworkerin bekommen, ein Mädchen aus Brasilien, womit wir endlich mal wieder eine neue Nichtdeutsche haben, weswegen wir auch mal wieder mehr Englisch sprechen müssen.
Ansonsten, gehabt euch wohl, und ihr werdet hoffentlich etwas baldiger als letztes Mal von mir hören. Viele Grüße
Euer Götz
25.10.2016
Hallo liebe Freunde, Familie und Verwandte,
nun bin ich schon seit vielen Wochen in Schottland. Ich bin sehr gut nach einem interessanten Flug in Schottland angekommen (im Flugzeug habe ich direkt Bekanntschaft mit der schottischen Höflichkeit gemacht, nach meiner Frage ob ich am Fenster sitzen darf wurde ich mit einem knappen nein abgespeist. Die Frau hat dann den ganzen Flug verschlafen). Ich wurde von überraschend warmem Wetter begrüßt und habe mich inzwischen auch sehr gut in der Camphill School Aberdeen eingelebt.
Ich wohne hier in einem großen Wohnhaus zusammen mit sieben Mitfreiwilligen und 4 „Pupils“.  Hier sind alle Menschen unglaublich freundlich, offen und zuvorkommend, auch wenn ca. 80% der Camphiller deutsch sind und man nicht ganz die kulturelle Vielfalt hat, auf die ich mich eingestellt hatte. Allerdings haben wir in unserem Haus ein Mädchen aus Italien, eines aus Brasilien, einen Jungen aus Nordengland, und eine neue Coworkerin aus China, die für uns ab und zu was Chinesisches kocht und ich das wegen meiner Vorliebe für scharfes Essen Weltklasse finde.
In unserem Haus haben wir 4 „Pupils“, von denen ich mit zweien regelmäßig arbeite (zwei Jungen über 18, die ich im Folgenden mit Jack und Drake beschreiben werde, da ich ihre Namen ja nicht nennen darf), da ich im „Young Adult“ Programm bin und ich dementsprechend nur mit jungen Erwachsenen über 18 arbeite. Ich wohne mit den beiden Jungen Tür an Tür und teile mit ihnen ein Badezimmer. Jack ist sehr auf Unterstützung angewiesen, ich muss ihn also duschen, anziehen und ihm auch ab und zu beim Essen assistieren, außerdem ist er ein unglaublich fröhlicher Junge, der immer, wenn irgendwo Musik läuft, oder einfach so diese Fröhlichkeit ausdrückt. Das Arbeiten mit ihm macht sehr viel Spaß, auch wenn er teilweise sehr langsam und unwillig sein kann und man ihn dementsprechend entweder mit purer Lebensfreude oder manchmal auch mit langen Geschichten über die Geheimnisse des Himmels und ihre Bedeutung für das Kehren des Bodens motivieren muss, was mir aber meistens ganz gut gelingt. Drake hat eine Art Kontrollzwang, er muss immer wissen, was vorgeht, und hat das Bedürfnis, es auf seine Art und Weise selber und richtig zu machen, was sich zum Beispiel darin äußert, dass er während des Essens aufspringt, weil Salz- und Pfefferstreuer nicht genau nebeneinander stehen. Außerdem tendiert er dazu relativ laut zu sein, was beispielsweise Schreien angeht, und das auch gerne mal um vier Uhr morgens, was meinen Kaffeekonsum seit meiner Ankunft in ungeahnte Höhen hat steigen lassen. Im Großen und Ganzen macht aber das Arbeiten mit ihm sehr viel Spaß, was auch daran liegt, dass er sehr selbstständig ist. Meistens arbeite ich mit beiden zusammen zur selben Zeit, was für mich immer die Herausforderung bietet, für beide gleichzeitig eine Arbeit zu haben, die sie weder über- noch unterbeansprucht. Eine echte Challenge.
Zweimal die Woche bin ich mit einem Jungen aus einem anderen Haus unterwegs, da er (vorgeschriebenermaßen) wegen teilweise aggressivem Verhalten zwei Coworker zur selben Zeit braucht, was bis dato darauf hinausläuft, dass ich mit ihm und einem erfahrenen Coworker herumlaufe, der sich dann seiner annimmt, wenn er das aggressive Verhalten an den Tag legt. Er ist allerdings auch ein unglaublich cooler Junge, der immer anfängt, die Lieder zu singen, die ihm ab und zu in seinem Haus vorgespielt werden, und er kann sehr gut singen (ganz anders als ich…).
Mit den anderen Coworkern in meinem Haus verstehe ich mich ausnahmslos sehr gut, alle sind immer gut drauf und zu Späßen ausgelegt. Außerdem habe ich auch gute Kontakte zu manchen aus den anderen Estates geknüpft. Und ich habe auch schon sehr viele Dinge hier erlebt, habe schon verschiedene Orte besucht, war Zelten und habe da Bekanntschaft mit einem einer sehr netten (und beißenden) Fliegenart gemacht, habe eine neue revolutionäre Art der Steakzubereitung erfunden (Stocksteak) und konnte einen Dance-Move in Aberdeens Clubs etablieren.
Zu all dem aber ausführlich mehr in meinem ausführlichen Bericht. Bis dahin, gehabt euch wohl.
Euer Götz
16.07.2016
Liebe Familie, Freunde und Nachbarn,
als erste meiner vielen Nachrichten, die ich euch aus Schottland schicken werde, nun eine aus der Zeit der Vorbereitung. Die letzten Monate standen im Zeichen meines Abiturs, welches ich auch dank einer freiwilligen Nachprüfung gut geschafft habe. Vor drei Wochen fand die Vergabe der Abiturzeugnisse statt, eingerahmt von einem festlichen Gottesdienst und dem Abiball.
Kurz nach meinem Abitur bin ich dann auch endlich 18 geworden, darf alleine Auto fahren und brauche nicht mehr meine Eltern, um etwas zu unterschreiben, ein befreiendes Gefühl. Nach einem entspannenden Urlaub an der Mosel mit Blick auf die Weinberge und einem Glas Wein in der Hand ging es dann letzte Woche Montag auf den ersten Teil des Vorbereitungsseminars, das als Teil des Programmes des IJFD vorgegeben ist.
Das Seminar fand in Eschwege statt, einem überraschend großen Ort im Nordwesten von Hessen, jedoch nicht in der Stadt selber sondern ungefähr eine halbe Stunde weiter auf dem Land. Dort haben wir in einem Selbstversorgerhaus gewohnt, das heißt, wir waren für das Essen selber verantwortlich und haben die Aufgabe sehr gut gemeistert, auch wenn wir durch verschiedene Besonderheiten in der Ernährungsweise (vegan, vegetarisch, …) zum Teil eingeschränkt waren. Hier habe ich in sehr entspannter Atmosphäre, angeleitet von 3 Teamern und zusammen mit 19 anderen Freiwilligen, ein paar Grundlagen zu Gruppenkoordination, Zusammenarbeit und Umgang mit anderen Menschen gelernt. Beispielweise hatten wir einen Exkurs zur Konfliktentschärfung und haben die Pflege anderer geübt, in dem wir uns gegenseitig die Zähne geputzt und die Haare gekämmt haben. Das Wetter war außerdem super, es hat kaum geregnet und wenn, dann nur nachts, also konnten wir einen Großteil der Aktivitäten nach draußen verlagern. Außerdem habe ich in Eschwege drei andere Freiwillige getroffen, die an dieselbe Einsatzstelle wie ich fahren, ich werde also in Schottland nicht alleine sein.
Am Montag beginnt der zweite Abschnitt des Seminars, das dieses Mal 12 Tage dauern und in Fulda stattfinden wird. Hier geht es dann mehr um das Sprachliche, um uns ein wenig in das Englische einzuführen, und noch um ein paar grundlegende Dinge im Umgang mit Behinderten. Das Ganze findet in derselben Gruppe wie letzte Woche statt und hoffentlich bei dem gleichen schönen Wetter.
In knapp drei Wochen, am dritten August, geht es ja dann auch schon nach Schottland. Dort werde ich erst einmal eine Woche lang schulintern in das System und meine Aufgaben eingeführt, auch unterstützt von einem deutschen Freiwilligen, dessen Jahr in Aberdeen schon fast vorbei ist und mit dem ich schon einigen Kontakt hatte.
Alles in allem freue ich mich schon sehr auf mein Auslandsjahr. Vielen Dank an Euch alle für Eure großzügigen Spenden, die mir das Jahr in Schottland ermöglichen. Bis zu meinem nächsten Bericht grüße ich Euch ganz herzlich
Euer Götz