Im Innersten der Königin Das Stimmen der Orgel in der Finkenbergkirche offenbart wahnsinniges Innenleben. (A. Meuser, veröffentlicht 17.04.2013)
„Ja, nächste.“ hat man im Laufe eines Nachmittags in der Finkenbergkirche in Stolberg oft gehört. Denn: Die Pfeifen der Orgel mussten mal wieder gestimmt werden.Dieses Mal hatte ich das Glück dabei zu sein und für die geritzt einen einzigartigen Einblick in die „Königin der Instrumente“ zu bekommen.
Angekommen in der Kirche wird erst einmal das Stimmgerät eingestellt, bevor es richtig losgeht. Danach gehen Herr Christoph Morschhäuser, Orgelbauer, und ich in die Orgel hinein. Ich bin erstaunt und verblüfft zugleich. Noch nie hab ich so viele große und vor allen Dingen kleine Pfeifen gesehen. Es war der reinste Wahnsinn.
Beim Stimmen beginnt man meist mit dem „Principal“ im Hauptwerk. Das Principal ist das Register, was die Kirchenbesucher meist am Prospekt, dem äußeren Erscheinungsbild der Orgel ,sieht. Ein Register ist eine Reihe von Pfeifen, die verschiedene Tonhöhen beinhaltet. Nach dem Principal stimmt Herr Morschhäuser dann die Register, die sich hinter dem Principal verbergen.
Sicherlich fragen sich jetzt einige „Wie stimmt man denn die Pfeifen?“. Es gibt verschiedene Arten von Pfeifen. Es gibt welche mit Deckeln, offene, welche mit Stimmrolle oder Stimmstab. Bei Registern mit Deckeln(auch gedeckte Register genannt) wird der Deckel nach oben oder unten gedrückt. Bei Registern mit Stimmrollen, was die meisten Register ausmacht, wird die Stimmrolle entweder aufgedreht oder ausgedreht. Bei Stimmstäben werden kleine Stäbe, die sich am Fuße der Pfeife befinden, nach oben oder unten verschoben. Es gibt außerdem noch Pfeifen, die oben ein Loch haben und mithilfe kleiner Werkzeuge in die richtige Position gedreht und gehoben werden.
Nach dem Hauptwerk und dem Pedal wird das Schwellwerk gestimmt. Hierbei geht’s hoch hinaus. Im Inneren der Orgel gibt es zwei Etagen. Auf der ersten sind Hauptwerk und Pedal, auf der zweiten ist das Schwellwerk. Hier gibt es wirklich die kleinsten Pfeifen. Mittlerweile sind zwei Stunden vergangen und ich habe mich schon ein bisschen eingearbeitet. Ich höre nun besser als am Anfang ob die Pfeife gestimmt ist oder nicht. Nachdem das Schwellwerk gestimmt ist, geht es wieder zum Spieltisch, also dem Platz , wo die Manuale( Tasten) und Pedale sind. Dort wird die Fußklaviatur abmontiert und es wird geputzt! Man saugt den Dreck des letzten Jahres weg und dabei kommt so einiges ans Tageslicht.
Im Laufe des Nachmittags wird nicht jedes Register gestimmt. Einige sind noch gestimmt und halten noch ein Jahr durch. Manche Register, zum Beispiel das Posaunenregister, werden mithilfe von anderen Registern gestimmt und nicht mit dem Stimmgerät. Zumal wäre es eine riesen und aufwendige Arbeit, ungefähr 3000 Pfeifen zu stimmen!
Für mich war es toll beim Orgelstimmen dabei zu sein und auch einen Blick in den Beruf des Orgelbauers, einen Beruf den ich vorher kaum kannte, zu bekommen. Um einen weiteren Einblick in diesen Beruf zu bekommen, möchte ich ein Praktikum in einer Orgelbaufirma machen. Ich hoffe, das klappt auch! :-)
Interview mit Christoph Morschhäuser, Orgelbauer der Firma Weimbs
geritzt: Herr Morschhäuser, wer hat die Firma wann gegründet? Wie viele Mitarbeiter gibt es derzeit?
Morschhäuser: Vor knapp 100 Jahren wurde die Orgelbaufirma von Josef Weimbs gegründet. Im Moment gibt es 14 Mitarbeiter.
geritzt: Wie lange dauert die Ausbildung zum Orgelbauer und gibt es bestimmte Voraussetzungen, die man haben muss?
Morschhäuser : Die Ausbildung dauert 3 ½ Jahre. Man sollte einen Hauptschulabschluss haben, aber Realschulabschluss und Abi sind auch gern gesehen. Wenn du mit dem Abi die Ausbildung an der Berufsschule beginnst, kommst du auch in einen MIH-Kurs. Dieser Kurs kann später für die Meisterprüfung gewertet werden. Man sollte für diesen Beruf musikalisches Verständnis haben und handwerklich etwas begabt sein.
geritzt: Also ein „absolutes Gehör“ ist nicht erforderlich? (Anmerkung der Autorin: Bei einem absolutem Gehör kann man einen Ton genau bestimmen ,ohne einen Referenzton zu haben)
Morschhäuser: Nein, es ist nicht nötig. Ich kenne keinen Orgelbauer, der ein absolutes Gehör hat.
geritzt: Apropos Handwerk. Im Beruf des Orgelbauers sind verschiedene Handwerke vernetzt. Welche sind es genau?
Morschhäuser : Der Orgelbauer ist ein „Mädchen für alles“. Schreiner, Schlosser, Elektriker, Metallverarbeiter – das muss man können, da es Pfeifen aus verschiedenen Materialien gibt. Mittlerweile gibt es auch die digitale Schiene, weswegen die Elektrik auch eine Rolle spielt.
geritzt: Wie sieht es mit Berufschancen in diesem Beruf aus? Bekommt man einen Job und kann sicher sein, dass man ihn auch behält?
Morschhäuser: Also, man bekommt auf jeden Fall einen Ausbildungsplatz. Und später im Berufsleben bekommt man auch eine Stelle.
geritzt: Gibt es einen ungefähren Tagesablauf, was man macht und sonstiges?
Morschhäuser: Einen festen Tagesablauf gibt es nicht. Jeder Tag ist wie jede Orgel einzigartig. Man hat Außendienst, also fährt zu Kunden, stimmt die Orgeln und spricht mit ihnen. Dazu zählt auch die Montage, was etwas länger dauert. Dann ist man vielleicht 600km von Zuhause weg und kann nicht jeden Abend zur Frau. Ansonsten im Innendienst wartet man Orgeln, ist in der Werkstatt, Pfeifen bauen oder bei der Intonation der Pfeifen dabei.
geritzt: Wie in jedem anderen Beruf gibt es doch auch in diesem uralten Handwerk irgendwelche Kuriositäten, oder nicht?
Morschhäuser: Es ist immer wieder interessant, was man beim Reinigen der Klaviatur findet: Bonbons, Stifte, Hörgeräte… Aber auch in den Pfeifen! Ich habe auch schon tote Vögel in Pfeifen gefunden. Außerdem gibt es auch Geschichten und Sagen. Ãœber Orgelbauer, die in eine 16′ ( 1Fuß= 32 cm) oder 32′ Pfeife gefallen sind, die sind echt groß! Oder über einen , der seine Seele an den Teufel verkauft hat.. Es gibt viele Kuriositäten!
geritzt: Zu guter Letzt, welche Instrumente spielen Sie außer Orgel?
Morschhäuser: (lacht) Das Orgel spielen kannst du streichen. Spielen kann man das nicht nennen. Sonst spiele ich Gitarre und Schlagzeug.
geritzt: Vielen Dank für das Interview und den Einblick in den Beruf des Orgelbauers.
Morschhäuser: Bitte, kein Problem!