Canterbury 2016 Von Käsestangen, cats & dogs, fish & chips, explodierenden Mikrowellen und Schreibtischstuhlrennen (T. Marx)
Erster Tag – auf nach England!
Am Sonntag, 19. Juli 2016 ging es los: Nachdem unser gesamtes Gepäck, das zu 60% aus Essensvorräten bestand, im Bus verstaut war, machten wir uns erst einmal in Richtung Calais, auf. Zwischenstopp – einige Gesangseinlagen nicht näher zu nennender Schüler später – war ein belgischer Rasthof, wo die Lehrer sofort die Kaffee- und damit lebensspendenden Maschinen aufsuchten. Am Hafen in Calais mussten wir durch zwei Kontrollen: Die der französischen und die der britischen Behörden, die uns alle netterweise passieren ließen. Hätten sie unsere Koffer öffnen lassen, hätten sie uns für Lebensmittelschmuggler gehalten. Als wir auf das Auffahren auf die Fähre nach Dover warteten, verspürten Lehrer wie Schüler plötzlich unerklärlicherweise den Drang, aus dem Bus auszusteigen, in Richtung des Meeres zu wandeln, dabei sämtliche sinngemäß „Bitte nicht hier herumlaufen“ aussagende Schilder zu missachten, dann „noch mal kurz“ einen Abstecher zur Toilette zu machen und damit fast das Aufbrechen nach England zu verhindern. Unsere Stufenfahrt endete aber glücklicherweise nicht am Hafen von Calais, was nur durch einen heldenhaften Spurt zweier Mitfahrenden (Lehrerin und Schülerin) zum Bus verhindert wurde.
Die Ãœberfahrt verbrachten die meisten draußen an Deck und es entstanden unzählige Fotos aller Beteiligten, insbesondere von einem Schüler, der – der Statue of Liberty gleich – mit hochgerecktem Arm an Deck stand und darauf hoffte, dass ihm eine Möwe die Käsestange aus der Hand fraß. Dazu war nicht förderlich, dass er immer panisch zusammenzuckte, sobald sich ein Exemplar näherte.
In Canterbury füllten wir unsere Essensvorräte bei einem Zwischenstopp beim Supermarkt nochmals auf, da wir in kleinen Häusern auf dem Campus der University of Kent wohnen würden, in denen wir selbst kochen konnten und uns selbst versorgen mussten. Als wir ebendiese bezogen, war die Euphorie groß, die modernen Zimmer, die ebenso schicke Küche und sämtliche andere Räume (auch Abstellkammer samt Staubsauger und Bügelbrett) übertrafen ganz offensichtlich die Erwartungen. Dass die Küche jedoch nur über Barhocker als Stühle an einem für diese viel zu kleinen Tisch verfügte, und dass man dadurch immer gebeugt speisen musste, war allerdings ein kleines Manko.
Eine kleine Gruppe wagte mit den Lehrern am Abend noch den 40-minütigen Marsch nach Canterbury und später zurück zum Campus, wo man sich in ein Pub-Restaurant setzte und gemeinsam die Atmosphäre genoss. An diesem Abend lag die Stadt wie ausgestorben da, ruhig und schläfrig.
Zweiter Tag – zwischen „cats and dogs“ und Kathedrale
Unser erster richtiger Tag begann nass. Nicht nass in dem Sinne, dass es einfach regnete, nein: England bescherte uns mit etwas, das die Briten wohl mit „it´s raining cats and dogs“ beschreiben würden, einen Empfang, der keinen Faden am Leib trocken ließ. Wir besichtigten einen Nachbau der Wartime Tunnels in Dover, in denen zu Zeiten des zweiten Weltkrieges verletzte Flieger notbehandelt und stabilisiert wurden, bevor sie ins Landesinnere geschickt und dort richtig behandelt werden konnten. Dorthin ging es über das Gelände um Dover Castle, von dem aus man eine hervorragende Sicht auf das Meer gehabt hätte, wären da nicht diese grauen Massen an Wolken und Nebel gewesen. Unser eigentlich für danach geplanter Ausflug ans Meer fiel damit wortwörtlich ins Wasser, stattdessen fuhren wir zurück in unsere Häuser auf dem Campus und föhnten uns trocken.
Nachmittags war eine Stadtführung durch Canterbury geplant und siehe da: anstatt, wie befürchtet, in Wassermassen zu versinken und unter dem Dach der Canterbury Cathedral vor dem Wasser Schutz suchen zu müssen, konnten wir bei einer sich tatsächlich freundlich zeigenden Sonne erst ein wenig durch die Stadt bummeln, um dann von einer netten älteren Dame die Sehenswürdigkeiten gezeigt und die Geschichte der Stadt näher erläutert zu bekommen. Besonders beeindruckend waren die vielen mehr oder weniger erhaltenen alten Gebäude der Stadt, die teilweise noch aus dem Mittelalter stammten. In den am Vorabend noch leeren Straßen tummelten sich an diesem Tag massenweise Schülergruppen, nicht wenige von ihnen aus Deutschland, dazwischen auch einige Einheimische. Unsere Stadtführung endete an der imposanten Kathedrale, gegenüber von der eine altehrwürdig anmutende Schule stand –die Stadtführerin erzählte uns von den horrenden Summen, die man für ein Schuljahr in dem Internat zahlen musste, wohl auch, um die vor dem Gebäude geparkten schuleigenen Golfcarts mitzufinanzieren. Uns begegneten einige der Schüler, alle in Schuluniformen, worauf gleich eine Diskussion darum entbrannte, ob wir diese in Deutschland auch einführen sollten. Die Anlage rund um die Kathedrale sah gut gepflegt aus, riesig mit vielen Bäumen, Blumenbeeten und Touristen natürlich. Wir entschieden uns dafür, den täglichen Evensong im „Quire“ der Canterbury Cathedral zu besuchen. Dies ist eine abendliche Messe, in der der berühmte zur Kirche gehörige Chor singt.
Tag drei – endlich nach London!
Am dritten Tag war es so weit: Nach etwas mehr als einer Stunde Busfahrt erreichten wir London. Ein sehr motivierter Guide führte uns durch das 1990 nach Vorbild des berühmten Theaters Shakespeares wiederaufgebaute Globe-Theatre am Ufer der Themse. Wir erfuhren, wie die Schauspieler vorbereitet wurden, dass Julia in „Romeo und Julia“ nie auf einem Balkon stand, sondern nur an einem Fenster (was uns alle niederschmetternd enttäuschte!), dass auch am Hofe der Königin gespielt wurde und, dass das Globe noch zu Shakespeares Lebzeiten bei einer Aufführung durch eine vom Dachgeschoss abgefeuerte Kanone niederbrannte. Oben auf den Rängen sitzend konnten wir die Atmosphäre zu Shakespeares Zeiten nachempfinden, wenngleich die Bühnenarbeiten mit Bohrern und moderner Technik für die nächste Aufführung die Authentizität etwas trübten.
Was auf die Besichtigung des Globes folgte, war eine Rallye in Richtung Tower Bridge, die wir in Kleingruppen bestritten. Zur St. Pauls Cathedral schafften es noch alle, doch die Verwirrung über die Anweisungen und das Fehlen jeglicher Orientierung war bei manch einer Gruppe so gravierend, dass ein Anhängen an die Lehrergruppe oder ein einfacher Spaziergang an der Themse, immer mit Blick zum Ziel und ohne Beantwortung der Rallyefragen, vorgezogen wurde. Auf diesem Weg direkt entlang der Themse wurden von einer Gruppe über 120 Jogger gezählt und natürlich die vielen Banker, die ihre Mittagspause genossen, beobachtet –sehr entspannend. Nur leider war das Ziel nicht die Tower Bridge, sondern ein irgendwo verstecktes Stückchen Erde ein paar hundert Meter vom Tower of London, dem berühmten Gefängnis gleich neben dieser, entfernt. So trudelten die letzten, orientierungslos, wie sie waren, erst nach vielem Hin-und Her-Telefonieren und unter Verlust eines sich auf die Suche machenden Dr. O´s ein.
Nein, dies war nicht das Ende der Odyssee. Zumindest nicht für alle, es war ja erst Mittag und man war mit Fish & Chips gestärkt. Ein vernünftiger Großteil der Gruppe machte sich müde und dankbar für ein Stück Weg, das man nicht gehen musste, auf den Weg zur U-Bahn-Station und von dort auf in Richtung Westen, wo Covent Garden, China Town, Westminster Abbey und weitere Sehenswürdigkeiten auf ihre Verewigung auf den Handys und Kameras warteten. Ein kleiner anderer Teil (zu dem ich mich leider auch zählen darf), nicht minder müde, befand eine U-Bahn-Fahrt für zu öde, da man nichts von der Stadt sieht, wenn man unter ihr herfährt, und wollte den Bus nehmen. Die darauffolgende Stunde gestaltete sich dadurch, durch London zu irren, viel Englisch mit netten und hilfsbereiten Londonern zu sprechen und zur Erkenntnis zu kommen, dass man in Londoner Bussen keine Tickets kaufen kann, sondern diese an nichtexistenten bzw. durch uns unauffindbaren Orten vorher kaufen muss. Mit nahezu abgestorbenen Füßen nahmen wir dann doch die Tube. Der Sinn? Ebenso nichtexistent wie die Orte, an denen man in London angeblich Bustickets kaufen kann. Hiermit sei eine Warnung an sämtliche folgende Schülergenerationen, die in London Bus fahren wollen, ausgesprochen: Ohne Oyster-Card bitte nicht versuchen!
Dennoch kamen auch wir noch in Covent Garden, einer wunderschönen überdachten Markthalle, in der Musiker, von Ed Sheeran-Coversänger bis Opernsänger die lebendige Atmosphäre mitgestalten, in China Town, beim Piccadilly Circus und an weiteren schönen Flecken Londons an, die jede kleine Gruppe für sich erkundete.
Am Hyde Park, unserem Treff- und Abfahrtspunkt mit dem Busfahrer, war allen die Erschöpfung, ebenso aber auch die vielen schönen Erlebnisse anzusehen, am meisten allerdings die Freude auf Entspannung für Füße und Beine und auch auf den nächsten Tag, den wir auch noch in London verbringen würden. Viel Schlaf hat jedoch kaum jemand erringen können.
Tag vier: Greenwich, London und  Natural History Museum
Am nächsten Morgen wurden wir morgens nach Greenwich befördert. Dort konnten wir den Nullmeridian von Ferne erahnen, ein für Londoner Verhältnisse typisch hohes Eintrittsgeld versperrte uns ein wenig die Sicht. Durch einen Park gelangten wir von dem Hügel, auf dem das Royal Greenwich Observatory steht und von dem aus man eine hervorragende Sicht über London hat, hinunter zum Themseufer. Ein asiatischer Reiseführer und dessen lautes Mikrofon zum Zusammentreiben der ihm anvertrauten Touristen trug beim Warten auf unser Boot zur Belustigung der Gruppe bei, während man sich etwas ausruhte und besonders das am Ufer ausgestellte alte Seegelschiff bewunderte. Unsere River-Thames-Cruise, also die Bootsfahrt entlang der Themse nach London, wo wir beim London Eye und in der Nähe der Westminster Abbey ausstiegen, gestaltete sich recht schön und dank der Erläuterungen aus den Lautsprechern auch interessant.
Nach der Bootstour wurden wir gegen Mittag wieder in Kleingruppen auf London losgelassen. Nächster gemeinsamer Halt war das Natural History Museum, das erst nachmittags besucht werden sollte. Die meisten Gruppen schauten sich die Westminster Abbey und den Buckingham Palace an, wo einige Mitschüler zu der festen Überzeugung gelangten, die Queen in einem Autokonvoy an sich vorbeifahren gesehen zu haben, zog es uns dann aber in Richtung Oxford Street zum Bummeln und Shoppen, wo die meiste freie Zeit verbracht wurde. Letztendlich kamen alle auch am Natural History Museum an und bewunderten die riesigen Dinosaurierskelette, ausgestopfte Pandas, Spinnen, Eisbären, Kolibris, seltene oder gar schon ausgestorbene Vögel, die teilweise bis auf Darwin selbst zurückgehen. Schade war, dass pünktlich um 18 Uhr die Pforten geschlossen wurden und natürlich nicht alles in diesem imposanten Gebäude bewundert werden konnte, weswegen manche mit dem Gedanken spielten, sich für eine Runde „Nachts im Museum“ zu verstecken.
Danach  machten wir noch einen Abstecher ins „Harrods“, ein Nobelkaufhaus in der Nähe des Natural History Museums, in dem Füller mit Diamanten oder Madonnastatuen für je 100.000 Pfund und sehr lecker aussehende Macarons und edle Pralinen zu bewundern waren, um von dort aus wieder zum Hyde Park zu gehen, wo unser Busfahrer bereits auf uns wartete.
Aus dem Bus blickten wir ein wenig wehmütig beim Überqueren der letzten Brücke über die Themse zum London Eye und zu den vielen Menschen in den Parks Londons und wir waren uns einig: wir hätten durchaus noch ein paar Tage länger bleiben können!
Und carpe diem! – oder carpe noctem, wie man es nimmt -, unsere Studienfahrt war ja noch lange nicht zu Ende! Es wurde noch fleißig gekocht (hierbei kam auch die fast am ersten Abend von einigen Jungs zur Explosion gebrachte Mikrowelle wieder zum Einsatz) und bis spät abends im gerade erst entdeckten Gemeinschaftsraum zusammen gegessen, geklönt oder, wie am ersten Abend auch, Karten gespielt. Was die Abendaktivitäten angeht, so wurde schnell entdeckt, dass sich die Schreibtischstühle aus den Zimmern hervorragend für Schreibtischstuhlrennen auf dem leeren Parkplatz vor unserer Häusergruppe eigneten. Natürlich besiegten alle Schülerteams das Lehrerteam.
In der Zeit, in der wir uns in Großbritannien aufhielten, stand das Brexit-Referendum an. Dass die Abstimmung am Tag unserer Abreise stattfinden sollte, veranlasste manchen zu der Frage, ob wir denn noch aus dem Land herauskommen würden. Überall bekam man ein wenig über die Diskussionen mit, sei es, als zwei Männer im Anzug in der U-Bahn plötzlich ein Gespräch darüber anfingen, durch viele Poster für und gegen den Brexit oder durch Brexit-Gegner in Canterbury, die von Tür zu Tür gingen und versuchten, die Menschen für die EU zu begeistern.
Man könnte noch viel mehr über unsere vielen Eindrücke aus dem „Land of Hope and Glory“ berichten, die wir sehr dankbar sind, gesammelt zu haben. Vielen Dank an Frau Beckwermert, Herrn Ostrowski und Herrn Mischlewitz dafür, dass sie diese Fahrt so schön gestaltet haben!
T. Marx